Psychische Erkrankungen beeinträchtigen das Leben der Betroffenen, das ist jedem klar. Aber wann kann man denn überhaupt von einer psychischen Störung sprechen? Was muss wann behandelt werden?

Grundsätzlich gibt es ein paar Kriterien, nach denen, wissenschaftlich betrachtet, „normales“ von „krankhaftem“ Verhalten unterschieden werden kann:

Persönlicher Leidensdruck

Wenn man zum Beispiel aufgrund von Ängsten oder Zwängen das Haus nicht mehr verlassen kann, durch Grübeln im Rahmen einer Depression keine Entscheidungen mehr treffen kann oder seine alltäglichen Aufgaben aufgrund emotionaler Instabilität nicht mehr bewältigen kann, entsteht für den Betroffenen ein Leidensdruck. Oft kommt es auch für deren Angehörige zu einer Einschränkung der Lebensqualität.

Statistische Seltenheit

Die Wahrscheinlichkeit, im Leben an einer Schizophrenie zu erkranken liegt bei 1-2% (in diesem Fall in allen Teilen der Welt etwa gleich). Hiermit ist zum Beispiel das Kriterium der statistischen Seltenheit erfüllt. Es geht also um die Häufigkeit, bzw. Auftretenswahrscheinlichkeit einer psychischen Störung.

Verletzung sozialer Normen

Menschen mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung neigen zu aggressiven Verhalten, lernen nicht aus Bestrafungen und werden oft gewalttätig. Das entspricht zum Beispiel nicht den sozialen Normen, die im Grunde besagen, dass man Konflikte gewaltfrei klären sollte.

Unangemessenes Verhalten

Ein nicht einfach zu definierendes Kriterium, denn das Verhaltensrepertoire der Menschen ist oft umfangreich. Genie und Wahnsinn liegen ja bekanntlich nah beieinander. Wenn jemand aber grundlos Scheiben einschlägt, auf einer Beerdigung laut lacht oder sein Verhalten grundsätzlich unvorhersehbar, unberechenbar und unkontrolliert ist, trifft dieses Kriterium zu. Hier ist immer der kulturelle Kontext zu beachten. Was für uns angemessen erscheint, kann in Japan schon absolut inadäquat sein.

Irrationalität

Wir alle haben eine Vorstellung von Wirklichkeit, die sich im großen und ganzen gleicht. Irrationalität bedeutet, dass etwas unsinnig, unrealistisch oder total unverständlich erscheint. Wer auf der Straße mit Menschen spricht, die nicht da sind oder sein Haus aus Angst vor Bestrahlung mit Alufolie einkleidet wären hierfür zwei Beispiele.

Diese Kriterien entstammen der klinischen Psychologie. Fakt ist, das „normal“ ein sehr dehnbarer Begriff ist. Ich bin der Meinung, dass zum einen auschlaggebend ist, inwiefern der Betroffene selbst leidet. Zum anderen gibt es Betroffene, denen nicht bewusst ist, dass sie eine psychische Störung haben, dafür merkt es aber das Umfeld. Was ist schon normal?

Wer mit sich und seiner Welt zufrieden ist und gleichzeitig keinem anderen Schaden zufügt – was kann dann verkehrt sein? Muss so jemand therapiert werden, nur weil er aufgrund seines Wesens vielleicht nicht unbedingt in unsere gesellschaftlichen Normen passt? Ich denke nicht. Wer dagegen unter seinen Ängsten leidet, in tiefer Trauer versinkt oder die Existenz seiner Familie aufgrund von Alkoholismus gefährdet, sollte sich Hilfe suchen, denn es gibt viele Menschen die viele verschiedene Möglichkeiten bieten, solche Krisen zu bewältigen.

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