Wenn wir uns mit einem Problem konfrontiert sehen, in einem Konflikt stecken oder unseren Herausforderungen nicht mehr Herr zu werden scheinen, machen wir uns häufig zunächst Gedanken, wie wir das Problem denn lösen könnten. In unserem Kopf betrachten wir es von allen Seiten, wägen ab, wiegen auf, bilanzieren, argumentieren, rechtfertigen. Eben all die Strategien, die unser Verstand so zu bieten hat. Im besten Fall folgen daraus bestimmte Handlungen, die uns der Lösung näher bringen. Konkrete Verhaltensweisen wie klärende Gespräche, persönliche Fürsorge, Auszeiten, Umorientierung.

In den häufigsten Fällen jedoch finden wir uns in einem Kreislauf wieder. „Aber ich hab doch schon alles Mögliche gemacht…“, heißt es dann. „Ich hab doch schon so viel versucht…“. Was passiert hier?

Im Angesicht eines Problems wollen wir eine Lösung dessen. Soweit so gut. Nur was wir nicht beachten ist unser übliches Denkmuster, welches sich um das Problem dreht. Unser Fokus liegt darauf, was wir nicht mehr wollen. Unser Gehirn kann allerdings nicht in Verneinungen denken. Wenn ich mir also überlege, wie ich ein Problem „nicht mehr“ habe, muss mein Gehirn zwangsläufig erst einmal an das Problem denken, um sich dann vorzustellen, wie es wäre, dieses nicht mehr zu haben. Und dort drehen wir uns im Kreis. Dieses Vermeidungsdenken führt in der Konsequenz dazu, dass wir immer mehr vom selben machen, denn unser Verhalten kann ja nur aus den vorhandenen Gedanken entstehen. Das wir so keine anderen Ergebnisse erzielen, liegt ja eigentlich auf der Hand.

Um diesen Kreislauf zu unterbrechen macht es Sinn, nicht mehr zu versuchen, irgendetwas „dagegen“ zu tun, bevor nicht klar ist, „wofür“ man eigentlich etwas tun will. Die meisten Menschen die unter psychischen Herausforderungen leiden, sind so sehr mit ihrem Problem involviert und identifiziert, dass Sie sich gar keine konkrete Vorstellungen mehr davon machen können wie es denn ohne wäre. Genau diesen Aspekt erarbeite ich häufig in der ersten Sitzung mit meinen Patienten. Ein konkretes Bild von sich selbst und einem Leben ohne dieses Problem. Auf diesem Weg treten dann auch unbewusste Muster und Überzeugungen zu Tage, die eben genau an der Entstehung des Problems beteiligt waren und an dessen Aufrechterhaltung mitwirken. Sind diese Zusammenhänge klar, wird eine neue Perspektive möglich, die wiederum Offenheit für einen anderen Weg, ein anderes Handeln, ein anderes Denken mit sich bringt.

Viele Patienten sind dankbar für diese erste Erkenntnis und berichten schon zur ersten Folgesitzung, dass sie durch diesen Hinweis bereits gelassener auf das Thema blicken konnten, der Druck, etwas verändern zu müssen, nachgelassen hat und sich mehr Ruhe und Entspannung eingestellt hat. Es ist die Erkenntnis, dass die Situation zum aktuellen Zeitpunkt so ist, wie sie eben ist. Viele Patienten machen die Erfahrung, dass sie mit ihren Gedanken, Befürchtungen und vergeblichen Lösungsversuchen nicht weiterkommen. Das Loslassen zu dürfen bedeutet für viele eine erste Erleichterung und mobilisiert neue Kräfte, um in eine andere Richtung zu denken und zu handeln und so die problematische Situation langfristig hinter sich lassen zu können – als Erfahrung, nicht als Krise.

Hinweis: Bei schwerwiegenden psychischen Problemen, Psychosen oder Suizidgedanken wenden Sie sich bitte an den psychosozialen Krisendienst oder die psychiatrischen Akut-Stationen der Krankenhäuser.

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