Elf Minuten ist die Geschichte einer jungen Brasilianerin, die auf einem Weg leerer Versprechungen, enttäuschter Erwartungen, unerfüllter Sehnsüchte, in der Welt der Prostitution zerstörerische Lust, tiefe Gefühle, Hingabe und Ausbeutung, Wahrheit und Interpretation kennenlernt und sich zu einer selbstbewussten, unabhängigen Frau entwickelt. Eine Frau, die ihre Bedürfnisse kennt und versteht, ihre Sexualität lebt und die Liebe in sich selbst findet.

Wie so oft, wenn es allein schon um das Thema „Sex(ualität)“ geht, gehen auch bei der Bewertung dieses Buches die Meinungen weit auseinander. Was im Grunde eines der zentralen Themen dieses Buches ist: Erwartung. Bekomme ich, was ich erwarte, bin ich zufrieden. Bekomme ich es nicht – ist das Buch dran schuld. Ist es in Beziehungen nicht genauso? Läuft es gut (so wie ich mir das vorstelle), bin ich zufrieden. Läuft es nicht so, ist der Partner dran schuld. Pauschal? Mag sein. Realität? In der Paartherapie-Praxis durchaus.

Ich sehe es wie Frauke Kaberka vom General-Anzeiger, Bonn: „Paulo Coelhos Thematik ist drastisch: Es geht um Sex, Ängste, die dunklen Seiten der Intimität, um Leben am Rande des Abgrunds, aber auch im Licht. Meisterhaft führt Coelho durch Gefühlswelten.“ Das macht im Grunde auch jeder Paar- und Sexualtherapeut. Aber Menschen lieben Geschichten. Und hier haben wir eine hervorragend erzählte Geschichte, deren Weisheit sich durchaus auch aus Provokation und „Unerhörtheiten“ ergibt.

Aber ist es nicht auch ein bisschen Dramatik und Abwechslung, eine Konfrontation mit dem eigenen Schatten und eine Überschreitung der eigenen Grenzen die Sexualität und auch Liebe lebendig erhalten?

Die Protagonistin schreibt in ihr Tagebuch „Ich habe die Wahl, entweder ein Opfer der Welt zu sein oder eine Abenteurerin auf der Suche nach ihrem Schatz. Es ist alles nur eine Frage, wie ich mein Leben angehe.“ Sie geht ihr Leben an, indem sie lernt, ehrlich mit sich selbst zu sein, indem sie ihre Grenzen kennenlernt und überwindet, indem sie sich dem Leben hingibt.

Wie immer regt Celho zum Nachdenken an, zum Reflektieren der eigenen Haltung und zum Hinterfragen der eigenen Überzeugungen und Sichtweisen. In keinem Kontext ist Sexualität so präsent wie in der Prostitution. Prostitution polarisiert – konfrontiert uns mit unseren Ängsten, Abneigungen, Fantasien – kurzum, mit unseren eigenen sexuellen Schattenthemen. Zumindest einem gehörigen Teil davon. Das Buch bietet jedoch nicht nur Konfrontation, sondern auch Lösungswege.

Liebe und Sexualität erfordern Mut – und das ist meiner Meinung nach eine zentrale Erkenntnis dieses Buches. Mut zur Reflektion, Mut zur Selbsterkenntnis, Mut loszulassen,… Mut bedingungslos zu lieben.

Schreibe einen Kommentar