Diese Frage habe ich mir in letzter Zeit des Öfteren gestellt. Nicht nur gab es zum Beispiel zu Nachkriegszeiten weniger psychische Probleme wie etwa Depressionen. Auch Ängste hatten eine ganz andere Qualität. Die Menschen hatten zu dieser Zeit schlichtweg andere Sorgen, als sich über den Sinn des Lebens oder eigene Befindlichkeiten Gedanken zu machen. Es ging immerhin darum, einfach zu überleben. Sind die allgemeinen Grundbedürfnisse wie Nahrung und ein Dach überm Kopf erfüllt, scheinen die Menschen wieder mehr Zeit zu haben darüber nachzudenken, wie schlecht es ihnen geht, was fehlt, was nicht passt. Darüber hinaus sind zum Beispiel psychogene Kopfschmerzen oder auch Depressionen in anderen Kulturkreisen völlig unbekannt.
Meine Gedanken dazu sind folgende:
Zum Einen wird in unsrer „durchnormierten“ Gesellschaft Andersartigkeit schnell als unnormal, krankhaft oder verrückt abgestempelt. Wir halten es scheinbar für völlig überflüssig, uns auf die Wahrnehmungen und das Weltbild eines anderen einzulassen. Meiner Erfahrung nach kann man aber wirklich spannende Erkenntnisse und interessante Blickwinkel erfahren, wenn man sich auf die individuellen „Originalitäten“ anderer Menschen einlässt. Nicht selten lernt man sogar noch dazu. In anderen Kulturen werden „psychisch Kranke“ auf eine Art in die Gesellschaft integriert, die es ihnen ermöglicht, ein weitgehend „normales“ und zufriedenes Leben zu führen. Psychische Krankheiten sind keine Tabuthemen, sondern Individualitäten menschlichen Sein. Zum Anderen entstehen vor allem Ängste, Depressionen oder somatoforme Störungen mit großer Sicherheit auch als Folge unserer überzogenen Leistungsgesellschaft, die sich Werte wie Macht, Geld, Kontrolle und Erfolg zu eigen gemacht hat. Es zählt, was du erreichst, nicht, wer du bist. Wer da nicht mithalten kann, wird aussortiert.
Da wir aber nun von kindauf lernen, dass Glück, Zufriedenheit, Sicherheit, Anerkennung und Wertschätzung an externe Aspekte gekoppelt sind, bekommen wir es natürlich mit der Angst zu tun, wenn der Arbeitsplatz in Frage steht, man den Anforderungen anderer Menschen nicht (mehr) gerecht werden kann, der Lebensstandard zu sinken droht. Gleichzeit stellen sich in dem Moment viele die Frage nach dem Sinn, da das täglich Hamsterrad doch nicht der Lebensinhalt sein kann, suchen die Antwort auf diese Frage aber wiederum in einer materialistischen Welt, wo sie schlichtweg nicht zu finden ist. Dass man es irgendwann „mit der Psyche kriegt“, ist vielleicht keine zwangsläufige, aber eine logische Konsequenz. Die Seele leidet. Immer mehr Menschen sind auf der verzweifelten Suche nach einem einfachen zufriedenen Leben, nur der Weg dahin scheint zu kompliziert.
Ein Therapieansatz sollte in diesem Sinne nicht zum Ziel haben, endlich die Beschwerden loszuwerden, sondern die Antwort auf die Fragen in sich selbst zu finden. Häufig verschwinden dann die Symptome, die oftmals nur Ausdruck unbewusster Notlagen sind, ganz von allein.
Ich möchte die Beschwerden der Betroffenen an dieser Stelle keineswegs bagatellisieren. Ich möchte eine Perspektive eröffnen, die es möglich macht, nicht nur Ängste u.a. loszuwerden, sondern gleichzeitg wieder eigenverantwortlich das eigene Glück in die Hand zu nehmen und sich von Dingen und auch Situationen zu lösen, die man ohnehin nicht kontrollieren kann. Wer die Lösung in sich selber findet, findet auch den Mut und die Kraft, diese zu leben und eine ganz neue Lebensqualität zu erlangen.